Donnerstag, 6. September 2012

Schottischer Whisky

Vor vielen Jahren war ich einmal zu einem Firmenevent in die Frankfurter Boerse geladen. Den genauen Anlass habe ich vergessen, ich weiss auch gar nicht mehr, ob es ueberhaupt einen offiziellen Teil bei der Veranstaltung gab.

Woran ich mich aber sehr gut erinnere, war der unterhaltsame Teil. Neben der freien Bar und der Livemusik wurdenn hier in verschiedenen Raeumen Vortraege oder Praesentationen unterschiedlichster Art geboten, die sich alle 20 Minuten wiederholten, so dass man im Rotationsverfahren fast alle davon besuchen konnten.

Es gab da zum Beispiel einen Kartentrickspieler, der uns seine Tricks offenbarte. Nicht dass ich danach in der Lage gewesen waere, einen dieser Tricks nachzumachen, aber beeindruckend war das schon, was man mit jahrelanger Uebung so alles mit Karten trotz Knubbelfingern anstellen kann. Dann gab es noch einen Cocktailmixer, der uns in die Kunst des Shakens einfuehrte. Interessant war auch ein Vortrag eines Vertreters von Bang&Olufsen, der uns ganz ohne akkustischer Demonstration von der Ueberlegenheit seiner ueberteuerten Lautsprecher ueberzeugen wollte. Lautsprecher von B&O kauft man wohl wegen der ansprechenden Gestaltung, der Klang ist dann nur Nebensache bei so einem Designobjekt.

Die meisten anderen Beitraege habe ich leider vergessen, aber ein Vortrag ueber die verschiedenen Single Malt Whiskysorten der schottischen Highlands ist mir dann doch in Erinnerung geblieben. Bei dem durften wir vor einer Tischmatte mit dem Aufdruck der schottischen Landkarte Platz nehmen und Glaeser auf die verschiedenen Destillerie Standorte stellen. Kurze Zeit spaeter befand sich in jedem der Glaeser ein kleiner Schluck dieses herrlichen Gesoeffs und die Reise durch die Classic Malts konnte beginnen.

Was ich nicht ahnen konnte, war der Effekt, den der Genuss von zirka 6 dieser Glaeser auf mein Wohlbefinden fuer den Rest des Abends haben wuerde. Zu spaet fiel mir auf, dass ich der einzige war, der saemtliche Glaeser auch wirklich ausgetrunken hatte. Es war halt meine erste Whiskyverkostung, wobei, wenn ich so drueber nachdenke, auch bei meiner naechsten wuerde ich das wohl wieder machen. So was edles kann man doch nicht wegschuetten!

Nun hatten wir ja schon zuvor die Vorzuege einer freien Bar und auch unsere eigenen Cocktailkreationen testen duerfen. Kurz gesagt, der Rest des Abends wurde etwas lallend lustig. Wie bin ich damals eigentlich nach Hause gekommen, ich weiss es nicht? Aber ich kann mich trotzdem noch sehr gut an den Geschmack von einigen dieser Whisky-Marken erinnern, wurden sie doch vom Verkaeufer auch sehr treffend in blumigen Worten beschrieben. Besonders der eine, bei dem wir aufgefordert wurden, zu benennen, woran uns der Geruch erinnert, faellt mir hier sofort wieder ein. Keiner konnte den Geruch wirklich beschreiben, aber er kam uns doch bekannt vor. Erst als der Gastgeber erwaehnte, dass die meisten bei dem Geruch an ein Krankenhaus denken, gab es ein grosses "Aaahh" im Raum. Lecker.

Aber mir hat es wirklich gefallen und weil ich die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen wollte, habe ich mich an dem Abend auch gleich auf meine Lieblingsmarke unter den schottischen Highland Whiskies festgelegt. Klingt doch auch irgendwie maennlich, wenn man einen Lieblingswhisky hat. Sich mit den verschiedenen Marken und den Unterschieden zwischen Single Malts und Blends auszukennen, eignet sich doch ganz bestimmt fuer eine spaetere Party, in der man gerade kein anderes Thema zum klugschei**en hat. So dachte ich jedenfalls und habe recht willkuerlich den "Oban" zu meiner Marke erklaert. Der schmeckte mir irgendwie am besten, wohl auch, weil er am wenigstens nach Krankenhaus oder altem Fass roch.

Ich will jetzt ja hier nicht behaupten, dass ich danach zum Whiskykenner mutiert bin. Auch bin ich nicht gleich losgelaufen, um zu versuchen, mir so eine Flasche zu kaufen. Ganz im Gegenteil. Mein neues Expertenwissen wurde irgendwo im Unterbewusstsein geparkt und waere mit Sicherheit irgendwann vom Gehirn als unnuetzer Muell zum Vergessen vorbereitet worden. Wann redet man auf Parties auch schon ueber Whiskies? Vielleicht waere auch irgendwann die Erinnerung an diesen Abend in der Boerse verflossen, wenn wir nicht Jahre spaeter in England gelandet waeren und uns fuer den ersten Urlaub auf den Weg nach Schottland gemacht haetten.

Dieser Urlaub war eine sogenannte B&B Reise, jeden Tag in ein anderes Bed & Breakfast um auf diese Art ganz Schottland zu sehen und zu geniessen und sich zu schwoeren, niemals wieder ein Full English Breakfast anzufassen. Hier kreuzte sich mein Lebensweg nun zum zweiten Mal mit Oban, denn diesmal fiel mir der Name im Strassenatlas auf und sofort kamen die Erinnerungen zurueck.
Oban, eine kleine Stadt an der Westkueste der Highlands, diese gab dann wohl den Namen fuer den Whisky. Die Destillerie liegt mitten im Ort, laut Wikipedia war die Destillerie aber sogar zuerst da und der Ort hat sich um die Gebaeude herum entwickelt. Hat hier also doch der Ort den Namen vom Whisky? Ist ja eigentlich auch egal.


Logisch, dass dieser Brennerei ein Besuch abgestattet werden musste. Der Besuch von mindestens einer Destillerie gehoert zu einem Schottlandurlaub zwingend dazu. Und die Fuehrung durch die Anlagen war um einiges lehrreicher als die Verkaufsveranstaltung damals in Frankfurt. Seit dieser ersten Reise waren wir noch zwei weitere Male in Schottland und sind dabei jedes Mal wieder nach Oban gefahren. Und jedes Mal wird dann naetuerlich auch eine ordentliche Summe im zugehoerigen Shop gelassen.

So auch voriges Jahr, als wir zum vorerst letzten Mal dieser Firma einen Besuch abgestattet haben. Mit dem gleichen Plan wie immer, auch jetzt wieder eine Flasche des 14 Jahre alten Whisky's zu kaufen und diese dann genuesslich im Laufe eines Jahres auszutrinken. Nur dieses Mal kam es etwas anders. Denn es gab ein neues Angebot im Shop, einen Whisky der statt 14 ganze 18 Jahre im Fass verbleiben durfte, nur 5.000 Flaschen wurden abgefuellt und ausser hier im Shop gibt es diese Flaschen nirgendwo auf der Welt zu kaufen. Braucht man denn noch mehr Argumente, dieses Mal etwas tiefer in die Tasche zu greifen um die edlere Variante dieses Genussmittels in das Regal stellen zu koennen?

Nun war ein Whiskytag auch mit der Standardflasche schon immer etwas besonderes. So eine Flasche hat gut und gerne immer mindestens ein Jahr ausgehalten, denn nur wenn alle Umstaende dem idealen Zustand einer typischen Whiskystimmung entsprachen, wurde die Flasche hervorgeholt und das Getraenk in die original Oban Glaeser gelassen. Wieviel besonderer muss also jetzt erst ein Tag sein, damit er den Genuss der doppelt so teuren 4 Jahre aelteren Variante rechtfertigt. OK, gekostet wurde gleich am selben Tag, wir wollten ja wissen, wofuer die ganze Vorfreude gespart werden sollte. Aber danach wurde die Flasche weggepackt, mit dem Versprechen, diese erst wieder hervorzuholen, wenn der Anlass auch wirklich gross genug ist.

Doch wie sollte so ein Anlass nun aussehen? Was fuer Highlights passieren denn wirklich so, die mir als Anlass ausreichen wuerden? Vielleicht gewinnen wir ja im Lotto oder Deutschland holt die EM Krone - mindestens in dieser Groessenordnung sollte so ein Grund liegen. Beides nicht sehr wahrscheinlich und auch seit dem Kauf der Flasche nicht eingetreten. Es sah schlecht aus. Monate vergingen ohne einen einzigen Schluck. Noch nicht einmal die Unterzeichnung des Huf Kaufvertrages hatte als Grund ausgereicht. Sollte ich vielleicht doch nicht so streng mit mir sein? Wird Whisky eigentlich auch einmal schlecht?

Wo bleibt denn nun der naechste magische Tag? Ein Tag, an dem alles passt. Ein Tag, an dem lange gehegte Wuensche wahr werden oder lange erwartete Ereignisse eintreten. Ein Tag, der Tueren in die Zukunft oeffnet und den Weg dahin auf einmal ganz einfach erscheinen laesst. Ein Tag, so wie gestern.

Gestern gab es also die lange erwartete Gelegenheit, endlich die Flasche aus dem Regal zu holen und sich das naechste Glas zu goennen. Denn vor mir lagen zwei grosse Briefumschlaege, die am gleichen Tag bei uns durch den Briefschlitz geschoben wurden. Auf beide Briefe hatten wir seit Monaten gewartet und nun kamen beide am gleichen Tag. In dem einen befand sich mein deutscher Arbeitsvertrag und in dem anderen die ersehnte Baugenehmigung. Na wenn das nicht Grund genug ist.

Was fuer Gefuehlsschwankungen sind wir in den letzten Monaten nicht alle durchlaufen? Zwischen absoluter Vorfreude ueber den baldigen Bau und Umzug bis zu dem Gedanken, was der ganze Mist eigentlich soll und was ich meiner Familie hier eigentlich zumute. Es ging immer hin und her.

Das mit der Baugenehmigung klappt ganz sicher nicht, so ein Haus wird in dem Ort mit so einer strengen Gestaltungssatzung niemals genehmigt - vielleicht ist das ja noch nichtmal baufaehiges Land und ich bin nur einem grossem Irrtum aufgesessen.

Warum sollte mir mein Arbeitgeber denn einen deutschen Arbeitsvertrag anbieten? Hier in England spielt doch die Musik, hier sind die meisten der entscheidenden Funktionen angesiedelt. Und warum sollte mir die Firma einen Job mit 60% Heimarbeit oder mehr ueberhaupt genehmigen. Das Ganze wird alles schlimm enden, ich werde mich mit woechentlichem Pendeln ruinieren und meine Familie und unser schoenes Haus fast nie zu Gesicht bekommen. Und ueberhaupt, wird es meiner Familie denn wirklich dort gefallen, wird diese Gegend trotz derzeit fehlender Deutschkenntnisse irgendwie zur Heimat werden koennen?

All diese Fragen sind mir in den letzten Monaten durch den Kopf gegangen. Hindernisse bauten sich auf, vom totalen Einstellungsstop bei der deutschen Tochter meines Arbeitsgebers, der die Aussicht auf einen Vertrag um Monate in die Zukunft geschoben hat, bis zum Biotop, das fast zur Ablehnung der Baugenehmigung gefuehrt haette. 

Aber hier liegen sie nun, die beiden Dokumente, die die weiteren Schritte auf dem Weg zum eigenen Haus in der alten Heimat ermoeglichen koennten. Zum ersten Mal seit vielen Monaten sieht es also wirklich so aus, als ob aus dem Hirngespinst Realitaet werden koennte.

Es stimmt schon, dass noch weitere Herausforderungen genommen werden muessen. So ein Arbeitsvertrag ist ja noch nicht gleichzusetzen mit einer Finanzierungszusage. Und so eine Baugenehmigung ist ja auch noch kein Haus. Aber darueber habe ich mir in diesem Augenblick erstmal keine Sorgen gemacht. Stattdessen habe ich die Gelegenheit genutzt, mir endlich einen dieser Oban Whiskies einzuschenken, um wenig spaeter den Duft von Heidehonig, Ananas, Nuessen und Rauch zu schnuppern und beim Abrollen ueber der Zunge zusaetzlich noch den Geschmack von Vanille zu entdecken. OK, ich gebe zu, das habe ich von einer Webseite abgeschrieben, ich bin ja eigentlich gar kein Whisky-Kenner. Aber schmecken tut das Zeug. Hoffen wir mal, dass ich bis zum naechsten Glas nicht so lange warten muss. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen